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Pizza mit Zwiebeln aus der Provence, bekannt als Pissaladière


Eine Pissaladière ist eine provenzalische Zwiebel-Pizza mit Überraschungseffekt, denn sie ist äußerst pikant gewürzt.

Betrachten wir Kochen und Essen bitte einmal als kulinarisches Springreiten. Zum Aufgalopp: Wie wir alle wissen, ist das tägliche Leben nicht immer einfach. So viele Hindernisse! Zum Achtstundentag kommen Einkauf und Kochen, Spülen und Wegräumen, und nur wer sich selbst mit einem "allez, hopp" zu motivieren weiß, legt seinen Ritt fehlerfrei hin, kommt ohne Tiefkühlpizza und Tütennudeln durch den Tag. Zum Ausgleich dafür belohnt ihn oder sie die täglich selbst frisch zubereitete Küche durch unendliche Abwechslung auf dem Teller, durch Anerkennung und Schulterklopfen.

Nicht nur zu kochen aber, selbst auch nur zu essen kann schon Hürde sein, denn nicht jeder am Tisch isst immer ohne Sträuben, was gerade zubereitet wurde. Nehmen wir die Pissaladière. Anfängern mag sie wie die dreifache Kombination bei einem Mächtigkeitsspringen erscheinen. Das Gericht enthält nämlich gleich drei Zutaten, die scheuen lassen: Sardellen, Kapern und Oliven. Drei echte Oxer.

Die Pizza mit dem schrägen Namen

Was ist nun eine Pissaladière? Es ist eine in der südfranzösischen Provence beheimatete Kombination aus Pizza und Zwiebelsuppe. Der Hauptbestandteil – massig viele Zwiebeln – wird vor der Einfahrt in den Ofen je nach Geschmack und Zeit glasig gedünstet bis karamellisiert geschmort (und könnte so, mit Brühe aufgegossen und mit einer Baguettescheibe und Käse überbacken, zur Zwiebelsuppe werden).

Derart vorbehandelt schmecken Zwiebeln süß und gewissermaßen konventionell, denn die scharfschwefeligen Inhaltsstoffe der Zwiebel schwinden beim Dünsten und Schmoren und lassen den Zucker hervortreten. Genau diese Zuckrigkeit machte die Sache langweilig, stünden ihr nicht salzige beziehungsweise sauersalzige Akzente entgegen – die aus den Sardellen, Kapern und Oliven.

Zum Glück wird die gepimpte Zwiebelladung auf einem knusperkrossen Teigboden serviert. Es ist dieses Pizza-Element, das diejenigen am Tisch beruhigt, die vielleicht kein abenteuerliches Herz haben. Ich gebe zu, dass ich die Teigunterlage für meine Pissaladière Packungen entnehme, die ich im Supermarkt kaufe. Ich schreibe im Plural, weil ich – mit Ausnahme von Blätterteig – keine großen Unterschiede im Backverhalten feststelle zwischen fertigen Pizza-, Flammkuchen- und Quiche-Teigen. Die krasse Backhitze von 240 Grad lässt alle Teige gleich knusprig werden, zugleich verhindert die kurze Backzeit von 20 Minuten, dass sie anbrennen. Packungsanweisungen sind dabei souverän zu ignorieren.

So führen wir das Pferd zum Sprung Den fertig eingekauften Pizzateig im Kühlschrank wissend, greife ich 1 Dutzend Sardellen, lege sie in lauwarmes Wasser und entsalze sie so ein wenig, während ich als Nächstes 1 kg Zwiebeln häute und nicht zu fein würfele; manchmal schneide ich sie nur in Streifen, wie mir der Sinn gerade steht.

Die Zwiebeln gebe ich in einen dem Wok ähnlichen, voluminös halbrunden Topf (im Englischen "Dutch oven" genannt; meiner besitzt einen Kupferkern und war schweineteuer, hält aber seit vielen Jahren und war eine lohnende Investition) und schwitze sie in 3–4 EL Olivenöl glasig, dabei presse ich 2–3 Knoblauchzehen mit hinein und gebe die abgestreiften Blättchen von ein paar Thymianzweigen und 1 EL Kapern zu.

Zwischenbetrachtung: Wie lange und bis zu welchem Farbgrad ich mein Gezwiebel schwitze, ist abhängig von Tagesform, Stimmung und der Zeit, die ich zur Verfügung habe. Zwiebeln bestehen fast nur aus Wasser – sie so weit zu dünsten (bei erkennbarem Wasseraustritt) und hernach zu schmoren (Wasser ist verdampft), bis eine zunächst leichte und dann immer stärkere Bräunung eintritt, kann bei 1 kg Zwiebeln schon ein Stündchen dauern. Es macht dem fertigen Zwiebelmatsch aber nichts aus, die Nacht im Kühlschrank zu verbringen. Dieser Schritt lässt sich also schon am Vortag vorbereiten.

Da auch das Schneiden der Zwiebel zeitaufwendig ist, greife ich gern zu fast kindskopfgroßen Gemüsezwiebeln – 4 Exemplare sollten meist für das erforderliche Kilo reichen. Aber auch nur diese vier zuzuschneiden ist wenig lustig, wenn das Kochmesser nicht sauscharf ist. Sauscharf ist das Messer dann, wenn die Schneide nur durch Druck, also ohne sägende Bewegungen, mühelos durch die Zwiebel fährt. Aus diesem Grund gehören Messer einmal im Jahr zum Instrumentenschleifer und gehört ein guter Wetzstahl in die Küche.

Ich entnehme den Teig der Packung und rolle ihn auf einem geölten Backblech aus. Was überhängt, schneide ich ab, verknete ich und lege es zur Dekoration meines Gerichts beiseite. Den Teigrand krumpele ich zur Mitte hin ein wenig um und baue mir so mit einem kleinen Rand ein Bassin, innerhalb dessen Grenzen ich meine Zwiebelmasse verteile.

Den Sardellen ziehe ich eventuell verbliebene Gräten, rolle die Filets zu kleinen Ringen auf und verteile sie gleichmäßig in die Zwiebelmasse. Ähnlich verfahre ich mit 2 Dutzend kleinen schwarzen Oliven mit Stein (entsteinte Ware schmeckt nach nix).

Aus den Teigresten schneide ich Streifen und lege daraus ein Gitter über die Zwiebelmasse, wobei ich die Streifen am Rand mit dem Teigboden verzwacke. Teigrand und Gitterpinsele ich mit Öl ein. Das Gesamtwerk backe ich für 20 Minuten im Ofen bei 240 Grad. Als Beilage serviere ich einen Tomatensalat.

Kaschierende Maßnahmen

So weit, so schrecklich, wird sich mancher denken, denn die Zahl derer, die stark würzige Geschmäcker ablehnen, wächst bekanntlich. Nun ist aber die Küche in einer Wohnung kein Restaurant, wo der Kunde König ist und für sein Geld ausschließlich erwarten darf, was seiner Majestät schmeckt. Vielmehr führt die Köchin oder der Koch das Zepter, und gegessen wird gefälligst, was auf den Tisch kommt. Menschen in einem ehelichen oder kindlichen Abhängigkeitsverhältnis dürfen ja zunächst einmal auf Knien dankbar sein, dass ihnen überhaupt tagtäglich serviert wird.

Auf die Frage im Katechismus: "Was glauben wir?", lautet die Antwort: "Wir glauben, was uns die heilige katholische Kirche zu glauben vorgibt." Übertragen auf die Situation am Esstisch heißt die Antwort auf die Frage danach, was wir essen: "Wir essen, was uns die in der Küche herrschende Person zu essen vorsetzt."

Theoretisch. Praktisch müssen wir geschickter vorgehen. Zimperlingen ist erst einmal überhaupt zu verschweigen, was die Pissaladière enthält. Dass Sardellen Umami enthalten und dies der Grund für ihre Verwendung ist, wird sie nicht interessieren. Sie hören nur das Wort Sardelle und heben ein Geschrei an. Für sie handelt es sich darum um Pizza, basta.

Hier ein Trick: Sardellen lassen sich verstecken, indem man sie als Paste dünn auf den Teigboden streicht und dann mit der Zwiebelmumpe überdeckt. Auch Kapern kann man ein wenig wässern, anschließend gut hacken und in die Mumpe inkorporieren, so sind sie nicht zu sehen.

Mit Oliven geht das natürlich nicht. Mit ihnen ist es aber wie mit Chilischoten, deren Anwesenheit bekanntlich nicht schmeckt, sondern schmerzt. Schmerz zu ertragen, kann und muss man aber lernen. Auf das manchen gewöhnungsbedürftige Olivenwesen übertragen heißt das, zunächst einmal nicht schwarze, sondern farblich weniger auffällige grüne Oliven einzusetzen und von denen auch erst einmal eine eher milde Sorte. Man packt sie auch nicht ganz auf die Pizza, sondern schneidet ihr Fleisch vom Stein und schiebt die Schnitze dann der Zwiebelmasse verstohlen unter, wo sie sich ob ihrer Farbe zu tarnen wissen.

Wie gesagt ist das Leben hart und voller Hürden – aber wieso sollte es das nur für die Köchin oder den Koch sein? Wie heißt es doch in dem schönen alten Popsong von Lynn Anderson: "I never promised you a rose garden ..." Genau so ist es. Nur eine knusprige Pizza versprach ich. Hier ist das Prachtstück, schau mal, und nun iss!

#Themen
  • Überraschungseffekt
  • Nachkochen
  • Sardelle
  • Glück

Sources


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Author: Stephen Collins

Last Updated: 1702017961

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Name: Stephen Collins

Birthday: 1941-07-19

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Job: Software Developer

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